Das OlG Hamm (OLG Hamm vom 30.10.2012. Aktenzeichen: I-9 U 5/1) hatte über die Haftung nach einem Auffahrunfall zu entscheiden, bei welchem ein Fahrzeug auf ein anderes auffuhr, da dieses kurz zuvor die Spur wechselte. Gerade im dichten Stadtverkehr ist diese Unfallkonstellation sehr häufig.
Der Grundsatz, dass bei einem Auffahrunfall stets der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des auffahrenden Kraftfahrers spricht, gilt in der Regel nur für gewöhnliche Auffahrunfälle. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich der Verkehrsunfall kurz nach einem Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs ereignet hat und sich nicht beide Kraftfahrer bereits auf die geänderte Verkehrssituation eingestellt haben.
Hier stießen an einer Ampelanlage ein anfahrender Lkw und ein Pkw, der während der vorangegangenen Rotphase sein Fahrzeug nach einem vorgenommenen Fahrstreifenwechsel nach links in eine vor dem Lkw befindliche Lücke gelenkt hat. Das Gericht war der Ansicht, dass der Fahrer des Pkws in Höhe von 70 Prozent für den entstandenen Schaden haftet, weil er sich vor dem Spurwechsel insbesondere durch Blickkontakt nicht versichert hat, dass der bevorrechtigte Lkw-Fahrer eine entsprechende Lücke lässt. Dem Lkw-Fahrer wurde vom Oberlandesgericht Hamm vorgeworfen, dass er den Verkehr neben ihm nicht aufmerksam genug verfolgt hatte und er durchaus mit einem Spurwechsel hätte rechnen müssen.
Hier wurde dem Auffahrenden folglich lediglich ein Mitverschulden in Höhe von 30 % zugerechnet und damit der Grundsatz, dass der Auffahrende nach einem Auffahrunfall stets haftet, aufgehoben.